Familie ist die beste Vertretung

Fresschen - Wasserchen – Sauberkeit! Mein Hundehotel war weit mehr als das. Folgende Botschaft verdeutlicht, dass man das Leiten einer Hundepension lieben musste, um diese wundervolle Berufung dauerhaft ausüben zu können. Sobald ein Tierbesitzer mir sein Tierchen anvertraute, sah ich es als mein eigenes. Natürlich war mir bewusst, dass sie mir nur für die Dauer des Aufenthaltes gehörten. Aber ab Ankunft, waren es MEINE. Deswegen darf ich meine Hotelgäste in weiterer Folge als „meine“ Hunde bezeichnen.

Meine vierbeinigen Freunde

 

Viele meiner Kunden meinten: „Jedes Mal, wenn er von euch wieder Heim kommt, ist er so brav! Wie schafft ihr es, dass es so leise ist bei euch? Was, unser BELLO war bei euch nachts ruhig? Wenn ich die ersten Male mit ihm wieder an der Leine gehe zieht er überhaupt nicht – nach zwei Tagen fängt er aber wieder an – Wie macht ihr das? Huch – mein Beißerchen lebte mit acht Hunden zusammen? Wie geht das? Wie macht ihr das nur?“  Was sollte ich dazu sagen? Ich machte meistens gar nichts. Ich war nun mal charakterlich eher dominant und gefestigt, kannte die Hundesprache und bewegte mich mit positivem "Bauchgefühl" in meinen Gruppen. Hunde in Gruppenhaltung erziehen sich auch gegenseitig. Es sollte keine Lobhudelei über mich werden – jedoch war Fakt: Ich war generell ein ausgeglichener, gerechter, humorvoller und konsequenter Mensch.

 

Der Gehorsam war in meinen Hundegruppen besonders wichtig. Deswegen war für mich oberstes Gebot, dass mir mein neuer Hund sein Vertrauen schenkte. Manchmal war das sofort der Fall, manchmal dauerte es bis zu drei Tage. Gab ich dann ein Kommando, dann konnte ich dieses auch konsequent durchsetzen. Ohne Vertrauen war Erziehung unmöglich!  Hundehaltern, die bei einem dreitägigen Erst-Aufenthalt meine Hundeschule buchen wollten, denen musste ich daher meistens absagen. Ich nahm keine unmöglichen Aufträge an. Mir war bewusst, dass ich in diesem Bereich unwirtschaftlich dachte, denn ich hätte Einzelschulungen in Rechnung stellen können. Was immer man in allen Lebenslagen tat, musste man sich selbst "gut im Spiegel" sehen können. Das war mir wichtiger als Geld.

 

Meine zuverlässigen Türglocken

 

War es optimaler, einen Hund während des Aufenthaltes in einem Tierhotel einzeln, in Kleinstgruppe oder in großen Gruppen zu halten? Mir gefiel „Trubel im Rudel“ – und doch war es, von der Lautstärke her, sehr ruhig bei uns.  Je größer die Gruppen – desto leiser war es auf der Anlage. Nichts Schöneres gab es für einen Hund als mit Artgenossen in einer großen Gruppe leben zu dürfen. Besucher waren überrascht, wie still es in meinem Haus war. Natürlich teilten alle Tierchen mit, wenn ein „Fremder“ ankam. Sie unterschieden genau zwischen völlig fremden Menschen, fremden und bekannten Artgenossen, halb-fremden – die ab und an kamen, Bekannten – die immer wieder mal tagsüber sichtbar waren und den heiß geliebten Tierbetreuern. Ich freute mich darüber. Man lernte, im Laufe der Zeit, welcher Bell-Ton was bedeutete.

 

Mechanische Türglocken existierten zwar, jedoch waren diese vollkommen sinnlos. Meine Hunde waren hier sehr zuverlässig und viel besser als eine Klingel. Die jeweilige Begrüßungszeremonie meiner Gäste dauerte immer nur wenige Minuten und dann war es wieder besinnlich leise.

 

Meine spezielle Erziehung

 

Mehrhundehalter waren meistens die besseren Hundeführer. Nicht weil sie wollten, sondern weil sie mussten. Gehorsam und Sozialisation waren beim Hund äußerst wichtig. Rücksichtnahme auf Spaziergänger, auf andere Hundebesitzer und die vielen Menschen, die Angst vor Hunden hatten, war bei Mehr-Hundehaltern selbstverständlich. Mehrhundehalter sah man nicht mit Kopfhörern spazieren gehen, während die Hunde machten, was sie wollten. Diese waren wie Krabbelstubenmitarbeiter: wachsam und stets bereit, Unsinn zu stoppen.

 

Meine dominante Rudelführung

 

„Wer ist denn der Rudelführer in der Gruppe?“ Eine beliebte Frage von Hundebesitzern. Eine oder einer müsste doch das Sagen haben. Offene Antwort: Ich hatte meistens keine Ahnung. Der Chef war immer ich – dann die anderen Betreuer – dann ganz lange niemand – und dann, weiß ich es selten.

 

Der größte Hund trat meistens am dominantesten auf, aber wenn manch kleiner herrschsüchtiger Hund die Rampe sperrte, dann ging da keiner hinauf. Wer zuerst kam, trank als erstes aus dem Wassereimer und die anderen stellten sich hinten an. Nicht immer hatte ein Rudel einen vierbeinigen "Dominator" - das brauchte es auch nicht.

 

Meine wenige Arbeitszeit

 

Ich "arbeitete" wenig im Hundebereich - manchmal so gut wie überhaupt nicht. Es ist richtig, Hunde machten Unordnung und Schmutz. Wir hatten deshalb keine normalen Staubsauger, sondern Saugmaschinen und eine große Staubsauganlage. Bei der Sauberkeit war ich besonders pingelig und manch Mitarbeiter ist daran schon verzweifelt. Vorgabe war, dass man das Gefühl hat „vom Boden essen zu können“ - und das täglich wenigstens ein Mal! Sehr viel meiner wenigen Arbeitszeit verbrachte ich daher mit Reinigung = Decken waschen, Schüsseln waschen, Böden waschen, Wände waschen, Fenster putzen, Außengehege reinigen, Bürokram etc..

 

Ich arbeitete, wenn überhaupt, grundsätzlich nur maximal halbtags am Vormittag. Nachmittags war fast immer Freizeit. Wir spielten, gingen spazieren, ordneten mit dem Rechen das Schottergehege, machten Fellchen hübsch, übten Handfütterung, liefen auf die großen Spielwiesen, Bauch-Massagen waren willkommen, lernten Kommandos, plantschten im Pool, lasen Bücher, faulenzten, machten Ausflüge und vieles mehr. Dabei tranken wir Wasser und Kaffee oder Limo, futterten Kekse, hörten Musik (gerne Rock´n Roll & Oldies) und ließen es uns gut gehen.

 

Meine geliebte Freizeit

 

Einige meiner Freunde meinten: „Du hast doch nie frei! Du hast doch kein Wochenende oder Feiertag! Tja, meins wäre das nicht!“  Sie bemitleideten mich. Das war völliger Quatsch. Ich war zu beneiden. Hunde waren zauberhafte Wesen. Jedes Tierchen war einzigartig, es hatte Stärken und Schwächen, Persönlichkeit, Charakter und dann kam noch die, vom Halter genossene, Erziehung dazu. Hunde unterstützten sich und lernten voneinander. Es war interessant ihnen zuzusehen und machte Riesenspaß mitzuspielen. Sie rasten wild über die Wiese, kugelten manchmal übereinander, rissen an Seilen, tobten flott durch Gehege. Kein Mensch konnte diese Unterhaltung ersetzen.

 

Mein wundervolles Leben

 

Warum fragte nie jemand nach der Freude, die man mit vielen Hunden hatte? Nach den wundervollen Begebenheiten, die hier passierten? Von Welpen-Würfen bis hin zu den vielen Tieren, die einem das Vertrauen schenkten. Fesselnde Abenteuer, die ich durch meine Hunde erleben durfte, und die vielen tollen Tierbesitzer, die ich durch sie kennengelernt hatte. Vergessen wir auch nicht, wie gemütlich es war, mit allen Tierchen gemeinsam auf einem Sofa zu kuscheln. Es war auch eine wunderbares Geschenk, wenn ein anfangs scheues Wölfchen einem irgendwann blind vertraute. Ohne "MEINE" Hunde wäre ich nicht vollständig gewesen! Für mich war das Wort "Einsamkeit" ein Fremdwort. Ich hatte viele Freunde, mit denen ich viel Freizeit verbrachte. Welcher Mensch konnte das schon von sich behaupten?

 

Meine Tiere unter fremder Betreuung

 

Wer könnte meine Vertretung übernehmen? Als meine drei Kinder noch jünger waren, war es bei Urlaub, im Krankheitsfall oder bei Familienfeiern wie z.B. Hochzeiten, erforderlich, eine externe Vertretung zu haben. Teils musste ich, als komplett alleinerziehende Mutter, in diesem Zeitraum mit bis zu fünf Angestellten arbeiten. Ich beschäftigte zwei Damen im Tierbereich, eine Haushaltshilfe mit Kochen, eine Mitarbeiterin für den Onlinehandel und einen Gärtner. Dazu kam noch ein professioneller Hundefriseur, der auf eigene Rechnung arbeitete - sein Studio aber bei mir im Haus hatte. Allein die Erfahrungen mit Mitarbeitern könnten ein eigenes Buch füllen. Darüber wollte ich nie schreiben, da man auch immer die andere Seite zu Wort kommen lassen sollte.

 

Hin und wieder suchte ich, mit exakter Arbeitsbeschreibung, Mitarbeiter. Ich erhielt, selbst wenn wir nicht inserierten, im Laufe der Jahre, viele Anfragen zwecks Anstellung, Ferialarbeit oder Praktikum. Bewerber hatten oft falsche Vorstellungen von der Arbeit in einer Tierpension. Großteils hatte man mit Reinigung und Kundenkontakt, in Wort und Schrift, zu tun. Spielen und Streicheln der Tiere fand gerne nebenbei und in der Freizeit statt. Spazierengehen und Training waren Hobby. Deswegen veröffentlichte ich auf meiner Homepage:

 

Ein/e Tierbetreuer/in in einer Tierpension sollte bei uns bestenfalls all diese Eigenschaften und Ausbildungen mitbringen – in Stichworten:

  • Entscheidungen fällen können, innere Ruhe ausstrahlend
  • selbständig arbeiten, Anti-Alkoholiker, starke Energie
  • nicht launisch, selbstbewusst, fröhlich, ehrlich, humorvoll
  • aufrichtig, etwas sportlich, durchsetzungsfähig
  • kreativ, eigene Ideen, nicht fremdenfeindlich, eine "dicke Haut" haben
  • nicht krankheitsanfällig, Durchhaltevermögen, multitasking-fähig
  • teamfähig & loyal, PC-Kenntnisse, kritikfähig
  • abgeschlossene 3-jährige Lehre als Tierpfleger/in
  • nicht schmutz-, geruchs- oder lärmempfindlich
  • gute Englischkenntnisse (nicht vertragssicher)
  • Führerschein B mit eigenem Auto (Bus fahren)
  • Hund selbst trainiert (mind. BH 1 oder BGH 1)
  • mit der Schermaschine umgehen können
  • Blut sehen & Wunden versorgen können
  • politisch nicht "rechts-radikal", mit Kunden höflich umgehen
  • gewissenhaft & zuverlässig, Hang zu Perfektionismus
  • finanziell abgesichert sein, Tiere in gesundem Maß lieben
  • zu Mensch & Tier freundlich sein, sehr gute Rechtschreibung & Wortwahl
  • keine Tiere mit nach Hause nehmen, keine eigenen Haustiere mitnehmen
  • ordentlich (auch während der Arbeit), Überstunden machen (ev. auch nachts)
  • Anweisungen der Chefin ohne Diskussionen befolgen
  • lange lackierte Fingernägel machen wenig Sinn
  • zu Jobs bereit, die nicht im Aufgabenbereich sind

Wir boten Mitarbeit in einem erstklassigen Team, sehr leistungsgerechte Entlohnung und eine wundervolle Arbeit an. Wir schrieben – wortwörtlich: "Falls Sie die meisten dieser Voraussetzungen erfüllen, freuen wir uns sehr über Ihre schriftliche aussagekräftige Bewerbung inklusive Kopien der Schul- und Arbeitszeugnisse.“ 

 

Es trudelten zwar immer wieder Bewerbungen ein, welche aber fast alle, freundlich beantwortet, im "Rundordner" landeten. Hatten die Bewerber meine Zeilen überhaupt gelesen? Fast alle der Interessenten hatten sich völlig überschätzt. Es fanden sich nicht aussagekräftige Bewerbungen - gespickt mit argen Rechtschreibfehlern - über völlig falscher Einstellung zu der Arbeit bis hin zu Zweizeilern: Ich habe Tiere lieb und will da was machen. Was zahlen Sie?“. Von zwanzig Bewerbungen war, im Schnitt, nur eine einzige dabei war, die überhaupt eine Überlegung wert gewesen wäre.

 

Meine Tiere in meiner Familie

 

Es gab nur drei Menschen, denen ich meinen Betrieb blind anvertrauen konnte und die fast alle der oben angeführten Voraussetzungen mitbrachten. Das waren meine Tochter und meine zwei Söhne. Es war mir allerdings wichtig, dass meine Kinder ihre eigenen beruflichen Wege gingen. Alle entschieden sich dazu, die Matura zu machen. Mein ältester Sohn studierte Kommunikationswissenschaften und gründete eine eigene Firma, der jüngere Sohn wurde KFZ-Mechaniker-Meister und meine jüngste Tochter wurde von mir selbst kaufmännisch ausgebildet.

 

Um mich zu vertreten, brauchten meine Kinder die (sonst von mir geforderte) dreijährige Lehre als Tierpfleger – bei Gott – nicht. Sie hatten jahrzehntelange Erfahrung im mütterlichen Betrieb und könnten im Bereich Hund / Katze wohl weitaus sinnvollere Vorträge halten, als die Vortragenden der Behörden. Um dem Gesetz genüge zu tun, hatte ich aber allen den, in Österreich erforderlichen, Tierhaltekurs finanziert. Somit waren sie auch vor dem Gesetz "qualifizierte Tierbetreuer".

 

Der Punkt „Anweisungen nicht diskutieren“ war so eine Sache, in unserer hausinternen Demokratie. Bei uns wurde gerne und viel diskutiert. Insbesondere am PC war meine Jugend besser drauf als ich. Daher wurde auch hier gesprochen bzw. gerne widersprochen und teils geändert. Dieser offene Meinungsaustausch war üblich und machte meinen Betrieb noch besser. Mir war immer bewusst, dass man als Mutter eigene Kinder unmöglich neutral sehen kann, ich liebe diese tollen Menschen.

 

Nach mehreren kläglichen, nervenaufreibenden Versuchen mit Fremdpersonal, kam ich frühzeitig zu dem endgültigen Schluss, keinen Fremden mehr anzustellen. Möglicherweise fehlten mir, bei Menschen, unternehmerisch wichtige Führungsqualitäten? Mein Unternehmen wurde ein reiner Familienbetrieb. Wenn Vertretung nötig war, hatte ich später die erstklassigsten, liebenswertesten, vertrauenswürdigsten Repräsentanten ...  direkt im Hause.