Der Wert eines Lebens

Einen Preis für ein Lebewesen festzulegen war für mich so angenehm wie ein Besuch beim Zahnarzt – und zwar einer dieser Besuche, bei dem der Zahnarzt plötzlich den Bohrer fallen lässt und ruft: „Ups, das wollte ich nicht!“ Wie soll man ein Lebewesen in Zahlen bewerten? Doch in meiner Arbeit mit Tieren war das unvermeidlich. Die Leute erwarteten einen Preis, und das machte diese Aufgabe so undankbar. Meistens stützte ich mich auf die Preise, die ich im Internet fand, und bastelte mir daraus meinen eigenen „Tierschutz-Kaufpreis“, der immer mindestens 30 % unter dem Marktpreis lag. So konnte ich mir ein gutes Gewissen bewahren und gleichzeitig sicherstellen, dass sich niemand um meine Preise beschwerte. Dachte ich zumindest.

Die Realität sah jedoch oft anders aus. Ein reinrassiger Malteser-Welpe, ein absolutes Schätzchen, kostete im Internet zwischen 1.500 und 2.500 Euro. Meine Welpen-Preise lagen bei maximal 990 Euro. Trotzdem – und ich meine wirklich trotzdem – bekam ich regelmäßig Anrufe von Leuten, die der Meinung waren, das sei doch eine Unverschämtheit. „990 Euro? Warum ist der Hund so teuer? Um 400 Euro würden wir ihn nehmen. Das hat ja nichts mit Tierschutz zu tun. Es geht euch ja nur ums Geld.“, lauteten die häufigsten Fragen und Kommentare. Es war, als würden die Leute auf einem Flohmarkt handeln, und nicht über ein Lebewesen sprechen, das sie die nächsten 10-15 Jahre begleiten sollte. Vielleicht wollten sie auch glauben, ich hätte in meinem Hinterzimmer einen geheimen Hundeladen, wo ich jeden Tag neue Malteser auf ein Laufband stelle, wie eine Art lebendige Fabrik.

 

Waren es notorische Nörgler und Händler, die grundsätzlich immer "handeln" wollten? Diese Typen gab es tatsächlich. Gegen solche Gesprächspartner war ich im Laufe der Zeit abgestumpft und trotzdem nervten sie. Ich versuchte den Kritikern zu erklären, warum bei manchen Hunden höhere Preise angesetzt werden mussten. Ich war in der glücklichen Lage, dass es mir finanziell gut ging und es daher bei mir im Tierschutz tatsächlich nicht vorrangig „ums Geld ging“. Das Tier sollte nicht billig gekauft, um dann teuer weiterverkauft zu werden. Ich suchte immer ein fixes neues Zuhause. Deswegen recherchierte und korrespondierte ich vermehrt bei Interessenten teurer Hunde. Bei der Tiervergabe waren solche „Rosinen“ natürlich die Seltenheit. Die meisten Abgabetiere waren ältere, größere und/oder unerzogene Mischlinge, die um 390 Euro „gehandelt“ wurden.

 

Die Preisgestaltung bei reinrassigen Hunden machte ich deswegen so ungern, weil gefühlsmäßig für mich jedes Tier den gleichen Wert hatte. Manch ein reinrassiger Hund mit erstklassiger Ahnentafel war im Grunde weniger "wert" als ein geliebter Mix, der unbezahlbar war. Ein, nicht dem Schönheitsideal entsprechender, Hund konnte einen sehr lieben Charakter haben. Was ist wirklich WAS Wert?  Die wahren Werte im Leben, wie Gesundheit, Liebe, Treue oder Freundschaft konnte man nicht kaufen oder bewerten. 

 

Doch während Preise immer wieder Anlass für Diskussionen boten, kam die wahre Herausforderung, als ich eines Morgens einen Anruf erhielt, der mein Leben – und das meiner Mitarbeiter – für die nächsten Wochen auf den Kopf stellen sollte.

 

Die Dalmatiner-Invasion beginnt

 

Es war ein älterer Herr am Telefon, dessen Stimme leicht zittrig klang. „Ich habe hier acht Dalmatiner-Welpen“, begann er, und allein diese Worte ließen mein Herz schneller schlagen. Dalmatiner, dachte ich, diese niedlichen schwarz-weißen Tupfen, die doch jeder sofort haben will. „Mein Sohn hätte sich um den Verkauf kümmern sollen, aber er hat sich mit mir gestritten und jetzt sitze ich hier mit den Hunden. Sie sind 16 Wochen alt, und ich kann sie nicht mehr behalten.“ Da wurde mir klar, dass es keine kleine Angelegenheit war. Acht Dalmatiner! Nicht gerade das, was man als „einfach“ bezeichnen würde, besonders wenn man bedenkt, dass 16 Wochen alte Welpen bereits einiges an Energie entwickelt haben.

 

So lieblich gewisse Disney-Filme anzusehen waren, war die Haltung von mehreren Welpen in der Praxis nicht ganz so rosa-rot. Die Kino-Renner machten Dalmatiner zum Mode-Hund. Da diese Rasse gut verkäuflich war, wurde dementsprechend viel gezüchtet. Acht großwüchsige Junghunde zu beherbergen, bedeutete nicht nur "Futter - Wasser - Sauberkeit" zu gewährleisten, sondern war auch die positive Prägung extrem wichtig. Junghunde waren oft noch nicht stubenrein, hatten nadelscharfe Milchzähne und trieben mehr Unsinn als erwachsene Hunde. In weiterer Folge mussten schöne Zuhause gefunden werden. Ich war mir darüber klar, dass so eine Aufnahme eine Menge zeitintensiver Arbeit bedeutete.

 

Ich nahm die Herausforderung an. Dalmatiner sind eine beliebte Rasse, und ich hatte ein freies Zimmer, das auf eine solche Aufgabe wartete. Außerdem war ich optimistisch – vielleicht ein bisschen zu optimistisch. „Natürlich können wir die Welpen aufnehmen“, sagte ich, ohne zu zögern. Schließlich habe ich Erfahrung mit Welpen, dachte ich. Was könnten schon acht Dalmatiner anrichten? Was folgte, war jedoch nichts, worauf mich irgendeine Erfahrung hätte vorbereiten können.

 

Die Ankunft der acht Welpen: Ein fleckiges Chaos

 

Der große Tag war gekommen. Der ältere Herr fuhr mit einem Pferdeanhänger vor – ja, einem Pferdeanhänger. „Ich wusste nicht, wie ich sie sonst transportieren sollte“, erklärte er entschuldigend. Die Klappe wurde geöffnet und ich wurde von den ganzen Flecken regelrecht geblendet. Acht Augenpaare zwischen den ganzen Punkten. Im Grunde, da fast alle Augen dunkel waren, ergab das Bild hunderte von Punkte auf weiß. Alle Augen blickten natürlich zu der, sich öffnenden Klappe. Ach Gottchen - wie niedlich. Wir hätten, mit dieser Schar, durchaus in einem der berühmten Filme mitmachen können.

 

Es war, als hätte jemand eine Box mit übergroßen Konfetti-Schnipseln in die Luft geworfen. Acht schwarz-weiß gefleckte Welpen stürmten aus dem Anhänger und verwandelten meinen gepflegten Hof in eine einzige, tobende, hüpfende Zone des Chaos. Es war wie ein Durcheinander von Kuscheltieren, die alle gleichzeitig Leben eingehaucht bekommen hatten und beschlossen, ihr eigenes Ding zu machen.

 

Die Dalmatiner rannten in alle Richtungen, bissen in alles, was in ihre Reichweite kam – meine Schuhe, die Bäume, ein zufällig herumstehendes Fahrrad und sogar das Bein meines Helfers. „Ach, sind die niedlich“, sagte er mit einem leicht gequälten Lächeln, während er versuchte, seine Hose aus dem Griff eines besonders aufgeregten Welpen zu befreien. Niedlich, ja, aber in diesem Moment fühlte ich mich mehr wie in einem schlechten Disney-Film als in einem liebevollen Tierschutzheim. Wie sollte ich dieses gepunktete Chaos in den Griff bekommen?

 

Nach etwa zehn Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, war es uns endlich gelungen, alle acht Welpen in ein Gehege zu verfrachten. Ein Hundchen war hübscher als das andere und die Herzen der Tierbetreuer gingen auf.  Nach der langen Fahrt im Pferdeanhänger und den vielen neuen Eindrücken, durften sie sich austoben. Wasser und Futter wurden gereicht und natürlich hatte ich viel gestreichelt und Leckerchen verteilt. Dann kamen sie zur Ruhe und lagen – wie das Welpen gerne machen - alle auf einem schwarz-weißen Hügel. Sie sahen so unschuldig aus, wie sie da zusammengekuschelt lagen – ein gefleckter Haufen voller Schlaf. Doch der Schein trog. Diese kleinen Engel hatten gerade einen Tornado hinterlassen. Mein Hof sah aus, als hätte ein Orkan gewütet, aber immerhin waren die Welpen nun friedlich – vorerst.

 

Die Frage der Namensgebung

 

Die größte Herausforderung war, diese acht Welpen auseinanderzuhalten. Wie soll man es schaffen, bei so vielen Flecken den Überblick zu behalten? Natürlich konnte ich sie nach ihren Fleckenmuster benennen – aber das hätte dazu geführt, dass ich Stunden damit verbringen müsste, jedes Mal genau hinzusehen. Also entschieden wir uns für die einfachste Lösung: Halsbänder in verschiedenen Farben. Blau für den Rüden mit dem Fleck auf dem Ohr, Rosa für die Hündin mit dem Punkt auf der Stirn, Grün für den frechen Burschen, der es geschafft hatte, sich in den Futtersack zu graben.

 

Trotz der Farben vergaß ich ständig, wer wer war. „War das jetzt der mit dem blauen Halsband, der versucht hat, das Fenster zu öffnen, oder der mit dem roten, der die Futterschale umgeworfen hat?“ Es war ein tägliches Verwirrspiel, und oft war es einfacher, sie einfach „Hey Wölfis!“ zu nennen, anstatt den richtigen Namen zu suchen. Die Methode, ihnen verschiedenfärbige Halsbänder anzulegen, versagte bei verspielten zahnenden Junghunden komplett, weil sie entweder verloren ober abgenagt wurden.

 

Mir kamen Gedanken zur Vergabe der jungen Dalmatiner. Wie sollte man sie sonst auseinanderhalten? Wie sollten wir fotografieren und filmen? Wie, welche Namen geben? Sie sahen alle irgendwie gleich aus und waren doch punktemäßig völlig verschieden.  Das Besprühen des Fells mit Farbe oder Ausrasieren an verschiedenen Körperstellen ging gegen mein tierliebes Wesen. Deswegen wollte ich das nicht.

 

So entschied ich mich dazu, das gepunktete Rudel in der Gruppe zu fotografieren / filmen und nach dem Motto "Jeder sucht sich seines vor Ort aus" zu vergeben. Bei Reservierungen aus der Ferne ermöglichten wir zwischen Weibchen und Männchen zu wählen. Die Interessenten zeigten - nach oft recht lustigen Telefonaten mit Beschreibung der „gefleckten“ Lage - großes Verständnis. Es war schier unmöglich, die immer munterer werdenden, Bandenmitglieder auseinander zu halten. 

 

 

Bei einer größeren Anzahl von Welpen schlugen wir gerne mehrere "Fliegen mit einer Klappe". 1.) Die neuen Besitzer durften sich alleine direkt im Junghunde-Rudel ihr neues Familienmitglied in Ruhe auswählen. 2.) Für die Junghunde war es für die Prägung fein auf andere Menschen, als nur die Tierbetreuer, zu treffen. 3.) Nachdem die Rasselbande ein hohes "Aktivitäts-Level" hatte, waren sie nach solchen Besuchen endlich auch mal müde und ruhiger.

 

Die Vermittlung: PABLO und der erste Abschied

 

Als die ersten Interessenten kamen, um sich einen Welpen auszusuchen, erwartete ich freudige Familien, die sich über die süßen Dalmatiner-Welpen freuten. Stattdessen sah ich überforderte Gesichter, als sie vor dem Fleckenmeer standen. „Wie sollen wir uns da entscheiden?“, fragte eine Mutter verzweifelt, während ihr Sohn begeistert versuchte, einem der Welpen hinterherzulaufen. „Wir nehmen den, der als erstes auf uns zukommt“, schlug der Vater vor, was eine überraschend effektive Methode war. So zog PABLO, der schnellste und wildeste der Welpen, als erster aus. Ein Hündchen mit Energie für zwei, das seinen neuen Besitzern viel Freude – und einige schlaflose Nächte – bereiten würde.

 

PADDIE und das Drama um ihr Gehör

 

Die nächsten Interessenten kamen. Ich verstand, dass auch diese Käufer mit den ganzen Punkten überfordert waren. Wie sollte man sich denn einen Hund aussuchen? Einer war hübscher als der andere und charakterlich waren sie fast ident. Nachdem die vierköpfige Familie nach einer halben Stunde immer noch ratlos waren und jeder einen anderen Dalmatiner in der engeren Wahl hatte, kamen sie zu dem Entschluss: „Die/Der Erste, die/der kommt, wenn wir rufen – die/den nehmen wir.“  Mein Team hielt die Gruppe zurück. Die Interessenten gingen ans andere Ende der Anlage und riefen: „KOMM!“ Somit verließ als zweiter Hund, die liebe PADDIE, das Haus und zog in ein wunderbares Heim mit Swimmingpool.

 

Interessenten des "P-Wurfes" (sie hießen karteimäßig von PAULA über PLUTO bis hin zu PEPPER) suchten sich ihres aus. Nach und nach zogen die Junghunde in schöne Heime. Nach einer Woche waren nur noch drei der Dalmatiner-Junghunde in der Vergabe und wir erhielten bereits erste liebe bebilderte Rückmeldungen vom jeweiligen neuen Zuhause. Auch die Familie, die PADDIE mitgenommen hatte, meldete sich nach einer Woche telefonisch: "PADDIE ist sehr lieb und zugänglich, frisst brav, folgt schön, ist nachts ruhig, kann auch einige Minuten alleine bleiben, macht nichts kaputt. Wir haben uns gefreut, dass sie völlig stubenrein ist. Aber uns kommt vor, dass sie schlecht hört. Ist euch da etwas aufgefallen?" Meine erste humorvolle Reaktion war: "Kann oder will sie nicht hören?"

 

Nicht im Traum wäre mir eingefallen, dass PADDIE schlecht hört. War sie doch bei unserem Spielen eine der ersten des Rudels, die durch die Klappen gehen konnte. Sie war völlig unauffällig. PADDIE kam immer mit dem Rudel, wenn man alle anlockte. Wir riefen natürlich nicht jeden mit einzelnem Karteinamen, sondern die Gruppe hieß „WÖLFI“, demnach reagierten sie auf das Kommando: „Wölfis kommt!“. Alle Hunde konnten am Steg klettern und durch Höhlen kriechen. Eine, die besonders flott beim Füttern war, war PADDIE.

 

Ich wurde ernsthafter und empfahl den Besitzern von PADDIE, das Hören doch dringend zu testen. Natürlich würde ich PADDIE, sollte sie taub sein, zurücknehmen. Den Kaufpreis würde ich in voller Höhe zurückbezahlen oder die Kleine gegen einen anderen unserer verbliebenen Welpen tauschen. So kam PADDIE zu uns zurück – und nun stand ich vor der Herausforderung, für einen gehörlosen Dalmatiner ein neues Zuhause zu finden.

 

Wir nahmen sie zurück

 

PADDIE war leider tatsächlich taub. Sie hatte von Geburt an kein Gehör, was niemandem sofort aufgefallen war, da sie sich ganz normal verhielt. Die Familie war untröstlich, und obwohl sie PADDIE liebten, entschieden sie sich, den Welpen zu tauschen. Es tat der Familie sehr leid, sie wieder zurückzugeben - jedoch konnte sich die vierköpfige Familie nicht vorstellen, wie das Zusammenleben mit einem gehörlosen Hund funktionieren sollte. Sie entschieden sich, einen anderen der Dalmatiner zu nehmen. Gleich nach dem Anruf, hatte ich alle der verbliebenen Dalmatiner getestet. Mit jedem wurde einzeln minutenlang gepfiffen, gesäuselt, gesprochen und geknistert. Sie konnten alle gut hören.

 

Normaler Weise nervte ich keine Käufer von meinen Schützlingen mit Anrufen, obwohl es mich manchmal in den Fingern juckte. Gerne hätte ich telefoniert oder geschrieben: "Wie geht es euch denn?" Das Tier war aber nun ihr Eigentum. Bei jeder Abgabe bat ich "irgendwann" um eine kurze Rückmeldung. Das war aber kein Muss, sondern freiwillig. Die meisten Käufer sendeten uns kurze Texte und Fotos und ich freute mich immer sehr darüber.

 

Entgegen meiner Natur, telefonierte ich mit allen anderen Dalmatiner-Käufern: “Bitte testet, ob euer Hund hört“. Auch dort war alles OK. Es hätte wenig Sinn gemacht, den Züchter deswegen anzurufen, da dieser die Welpen nur kurz nach der Geburt und dann zwei Tage bei sich hatte. Da mir nichts aufgefallen war, war ihm sicher auch nichts aufgefallen. Geruchs- und Tastsinn waren bei gehörlosen Hunden meistens ausgeprägter, sodass man in der Gruppe keinen Unterschied beim Verhalten sah.

 

Wie sollte es weiter gehen?

 

Ich setzte den Preis für PADDIE auf ein Minimum herab, um sicherzustellen, dass sie trotzdem ein liebevolles Zuhause finden würde. 50 Euro – war der Preis, den ich festlegte. Ich war sicher, dass es schwer werden würde, jemanden zu finden, der bereit war, sich der zusätzlichen Herausforderung eines tauben Hundes anzunehmen. Wer kauft schon einen gehörlosen Hund? PADDIE wurde einzeln fotografiert, gefilmt und genau beschrieben. Schon in der Überschrift der Anzeige wurde "gehörlos" vermerkt. Ich hatte kaum Hoffnung, dass sich für PADDIE jemand melden würde. Hätte sich niemand gefunden, hätten wir sie wohl als eigene Hündin behalten.

 

Eine freundliche ältere Dame meldete sich bei mir und sagte, sie habe sich sofort in PADDIE verliebt, als sie das Inserat gelesen habe. Sie hätte immer schon Hunde gehabt, ihr letztes Hundchen wäre kürzlich in hohem Alter verstorben. Sie hätte gerne PADDIE. Ich teilte intensiv mit, dass PADDIE absolut nichts hört und was das Zusammenleben mit einem tauben Hund für Herausforderungen mit sich bringen kann. Wir hätten auch noch zwei hörende Junghunde aus dem gleichen Wurf hier. Die Dame meinte, sie hätte auch das andere Inserat mit den nicht behinderten Hunden gesehen und blieb dabei: „Nein, die anderen kommen nicht in Frage – ich möchte PADDIE.“

 

Der volle Kaufpreis

 

Eine sehr sympathische Frau, so um die 60, erschien pünktlich zum Abholtermin. Als sie PADDIE sah, war sie begeistert von ihr. Sie setzte sich zu ihr auf den Boden, gab ihr mitgebrachte Leckerchen und streichelte sie. Nochmals sprach ich über die Gehörlosigkeit. Die Frau meinte: „Selbstverständlich möchte ich PADDIE gleich mitnehmen.“  Ich war froh, dass sie ein liebevolles Zuhause gefunden hatte. Es passierte ganz selten, dass jemand ein behindertes Tier nimmt. 

 

Ich holte (wie immer bei Verkäufen) mein Chip-Lesegerät, die Unterlagen vom Hund sowie ein kleines Säckchen vom gewohnten Trockenfutter. Inzwischen konnte die Käuferin den Kaufvertrag durchlesen und den Impfausweis ansehen. Ich notierte vorschriftsmäßig die Ausweisdaten der neuen Besitzerin. Das mitgebrachte Halsbändchen wurde angelegt. Ich bat die Käuferin den Kaufvertrag zu unterschreiben. Doch als die Dame mir das Geld überreichen wollte, legte sie 700 Euro auf den Tisch. „Sie irren sich“, sagte ich lächelnd, „PADDIE kostet nur 50 Euro.“

 

Freundlich teilte ich der Frau mit, dass sie sich wohl getäuscht hätte. Die anderen Junghunde (ohne Behinderung) kosteten 690 Euro. Bei der gehörlosen PADDIE hatten wir einen wesentlich niedrigeren Preis, nämlich nur 50 Euro, vereinbart. Die Diskussion, die dann folgte, hat mich mein weiteres Leben begleitet. Sie wollte den vollen Kaufpreis bezahlen. PADDIE war genau so viel Wert, wie jeder andere Hund. Ich solle die 700 Euro annehmen und sie wollte kein Retourgeld. Das Wechselgeld, in Höhe von 10 Euro, wäre für unsere Kaffeekasse.

 

Wir diskutierten

 

Ich hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet und war erst sprachlos. Meist versuchten Kunden Rabatte zu bekommen. Dass jemand freiwillig unbedingt mehr bezahlen wollte, war absolut ungewöhnlich. Auch hatten wir den Preis von PADDIE deswegen so reduziert, damit vielleicht irgendjemand Interesse hat, der vielleicht weniger Geld, aber dafür ein großes Herz hat. Nochmals versuchte ich das Gespräch in die (für mich) richtigeren Bahnen zu lenken: Ich erklärte, dass ein tauber Hund mehr Aufwand bedeutet, als ein hörender Hund. Inzwischen saß PADDIE auf ihrem Schoß. Die Kaufpreisreduktion wäre doch gerechtfertigt. Wir gingen ins Detail.

 

Die Dame schüttelte den Kopf. „PADDIE ist genauso viel wert wie jeder andere Hund. Vielleicht sogar mehr, weil sie besondere Aufmerksamkeit braucht.“ Ich war sprachlos. Es war das erste Mal, dass jemand mehr für einen Hund zahlen wollte, als er musste. Die meisten Leute verhandelten um den letzten Cent, aber diese Frau wollte PADDIE ihren vollen Wert geben – den Wert, den sie in ihrem Herzen fühlte. Sie erzählte mir einiges aus Ihrem Leben und dass ihr verstorbener Mann gehbehindert gewesen wäre. Zum Ende hin half bei ihrem Ehemann auch kein Hörgerät mehr etwas und war er taub geworden. Der Wert, den dieser Mensch für sie gehabt hatte, wäre nicht zu beziffern gewesen. Sie beharrte darauf, für PADDIE den vollen Kaufpreis - der vierzehn Mal höher war - zu zahlen. Wir blieben befreundet und zeigte sich diese Frau, auch in anderen Bereichen, als ein wirklich "wert-voller" Mensch